Winterzauber und Höhepunkte aus der Region Kaunertal - von Bernd Kregel/Epoch Times Deutschland
Bedrohlich schieben sich finstere Wolkenbäuche über das Kaunertal im Tiroler Oberland. Noch sieht man, wie die ringsum aufgereihten Dreitausender des Hochgebirges ihre Spitzen wie riesige Sägen in den Himmel recken. Sind am Ende sie es, die schließlich die runden Wolkenbäuche anritzen, deren weißer Inhalt alsbald vom aufkommenden Sturm durch die Luft gewirbelt wird? Angesichts dieses Naturschauspiels wird der Mensch für wenige Tage in die Rolle des hilflosen Beobachters verbannt. Selbst die von ihm errichteten Sportanlagen am Rand der fünf Tiroler Gletscher ducken sich unter der Last der Schneemassen zu Boden. Sie mögen davon träumen, dass nach den Tagen des Schneefalls das bunte Schnee-Treiben an ihren Hängen umso prächtiger explodieren möge.
Der Kaunertaler Gletscher als Anziehungspunkt
So zum Beispiel am Kaunertaler Gletscher, der sich am Fuß der 3500 Meter hoch aufragenden Weißseespitze als „Tirols jüngster Gletscher“ einen Namen gemacht hat. Denn hier können Freerider und Snowboarder in jugendlicher Frische auf breiten Pisten aus Naturschnee ungestört ihre Schwünge ziehen. Um jedoch Tirols höchste Haltestelle verkehrstechnisch zu erreichen, muss zunächst der Zufahrtsweg durch das Kaunertal geräumt werden.
Vom Inn her erstreckt es sich in südlicher Richtung direkt auf den Gletscher zu, und noch sind alle Oberflächen mit einer meterhohen Schneeschicht bedeckt. Genau die verleiht den kleinen Ortschaften im Tal das Aussehen einer verspielten Märchenlandschaft. Doch trotz dieser romantischen Kulisse gilt es zunächst, den hohen weißen Straßenbelag wegzufräsen und zwischen den sodann senkrecht aufragenden Schneewänden die Verkehrswege befahrbar zu machen.
Unberührte Schneeflächen und präparierte Langlaufloipen
Doch selbst während dieser Übergangszeit gibt es zunächst nichts Schöneres, als sich bei strahlendem Sonnenschein die Schneeschuhe unterzuschnallen und in den noch unberührten Schneeflächen der Harberwiesen seine eigenen Spuren zu hinterlassen. Oder auf den überraschend schnell präparierten Langlaufloipen am Fuße des Kaunergrats seine Kreise zu ziehen. Und dabei vielleicht am Ortsrand von Feichten dem Skilehrer Heiner Lentsch zu begegnen, der das Tal kennt wie seine Westentasche und sich hier selbst bei dichtestem Schneetreiben zurechtfinden würde.
„Lawinengefahr?“ Nein, bis hierher in die Mitte des Talbodens reichten die Schneeabgänge sicherlich nicht. Allerdings habe er einmal in einer Seilschaft eine Lawine am Hang erlebt. Da gebe es nur eines: Hacken und Steigeisen so fest wie möglich in den Boden einzurammen, um bei gespreizten Beinen dem vor der Lawine her geschobenen Luftdruck zu entgehen. Es sei damals gerade noch einmal gut gegangen, aber – so fügt er verschmitzt lächelnd hinzu – man müsse es mit der Abenteuerlust ja nicht gleich übertreiben.
Naturparkhaus als geologisches Energiezentrum
Eine bequemere Art, sich einen Überblick über das Kaunertal zu verschaffen, hält das Naturparkhaus Kaunergrat am nördlichen Taleingang bereit. Wie ein Adlerhorst thront es in 1600 Metern Höhe an einer 800 Meter tiefen Abbruchkante zum Inn und gibt darüber hinaus noch den Blick frei nach Italien und in die Schweiz. Genau hier befindet sich eines der geologischen Energiezentren, für deren Auswirkung auf den Menschen unsere Vorfahren noch ein Gespür hatten.
So jedenfalls weiß es Ernst Partl zu berichten, der sich als Geschäftsführer des Naturparks Kaunergrat mit einer ganz besonderen Stelle unterhalb des Gebäudes beschäftigt hat. Denn hier waren bereits vor 5000 Jahren, also genau zu Ötzis Zeiten, vom Volk der Räter Tieropfer für die heimischen Gottheiten dargebracht worden. Und später, zu Beginn unserer Zeitrechnung, waren es dann die Römer, die - unterwegs ins nördliche Germanien - auf der legendären „Via Claudia“ nach der Überwindung des Rechenpasses nahe dieser Stelle vorbei kamen und dabei ihre Spuren hinterließen.
Anheimelnde Überschaubarkeit des Tales
Längst jedoch habe sich der militärische Stil von damals gewandelt zu einem vorwiegend familiären Anliegen, das hier mit dem Beginn des Tourismus vor wenigen Jahrzehnten Einzug gehalten habe. Darauf verweist Christian Santl, Geschäftsführer des „Hotels Weißseespitze“, dem die anheimelnde Überschaubarkeit des Tales imponiert. Um dessen jüngere Vergangenheit verständlich zu machen, lädt er ein zum Besuch des kleinen aber feinen Kaunertal-Museums auf seinem Hotelgelände. Dabei wird deutlich, wie die Menschen in früheren Zeiten den Bergen und den Böden ihre Existenz abringen mussten, bevor der Tourismus im Tal neue Perspektiven eröffnete.
Den größten Eindruck jedoch hinterlässt die Tatsache, dass das Hotel sich auch der behinderten Gäste annimmt, die hier eine Welt in völliger Barrierefreiheit erleben: von den Zimmern bis hin zum Wellnessbereich ist an alles gedacht, das Rollstuhlfahrern nicht nur das Leben erleichtert sondern auch zur Lebensfreude beiträgt. Denn ein vielfältiger Fundus von ausgefallenen Sportgeräten für Behinderte macht das Hotel zudem zu einem wahren Eldorado für behinderte Wintersportler.
Auch für spirituelle Belange hat das Kaunertal eine Kostbarkeit anzubieten. Es ist die im Jahr 1535 erbaute Wallfahrtskirche Kaltenbrunn, die in 1260 Metern Höhe seit Jahrhunderten die Pilgerscharen aus der Umgebung ins Kaunertal lockt. Ursache für diese Anziehungskraft ist eine Muttergottesstatue, die genau hier im 12. Jahrhundert von Hirten in einem Weizenfeld entdeckt wurde. Zur Erinnerung steht noch heute eine in barockem Stil erschaffene Marienstatue mit goldenem Strahlenkranz im Mittelpunkt der geschmackvoll renovierten Wallfahrtskirche.
Musikerlebnis im Flügelmuseum
Nur wenige Meter von der Kirche entfernt wohnt Toni Wille, der als „Flügeltoni“ ebenfalls nicht aus dem Kaunertal wegzudenken ist. Toni ist ein Rundum-Talent, da er von der Landwirtschaft bis hin zum Kunsthandwerk gleich mehrere Berufe ausübt. Seine große Liebe jedoch gilt dem Klavierspiel, das er – weitgehend autodidaktisch angeeignet – zu hoher künstlerischer Reife verfeinert hat.
Dazu betreibt er ein über die Grenzen hinaus bekanntes Flügelmuseum mit den unterschiedlichsten Parade-Exemplaren der Musikgeschichte, die er von ihrer Bauart bis hin zu ihrem jeweiligen Verwendungsbereich sachkundig zu beschreiben weiß. Den Höhepunkt seines Musikerdaseins stellt jedoch die von ihm in Form eines Flügels errichtete kleine Konzerthalle dar, in der vier unterschiedliche Flügel sowie eine von ihm selbst gefertigte Kirchenorgel ihren Platz finden.
Schon sind die Kerzen entzündet, die den Raum in ein gedämpftes warmes Licht hüllen. Und alsbald erklingen - je nach Charakter des dargebotenen Musikstücks - von den unterschiedlichen Instrumenten aus die klassischen „Ohrwürmer“ der Musikgeschichte von Bach und Händel über Mozart und Beethoven bis hin zu Debussy. Ein ausgefallenes und zugleich persönliches Musikerlebnis, wie es in dieser Form sicherlich kein anderer Musiksaal vermitteln könnte.
So lebt der Aufenthalt im Kaunertal nicht nur von den sportlichen Aktivitäten, zu denen die malerische Landschaft durch alle Jahreszeiten hindurch einlädt. Daneben sind es auch die persönlichen Begegnungen, die das Bild abrunden. Und gerade darin liegt auch ein wesentlicher Teil des Kaunertal-Abenteuers, das zu der Attraktivität beiträgt, die das Tiroler Oberland insgesamt auf die zahlreichen Besucher aus aller Welt ausübt.
Fotos & Text: Bernd Kregel/Epoch Times Deutschland
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